08 Dezember 2011

Adventskalender 8

Posted by Picasa

Heute bin ich wild und böse,
bin ein Wolf im grauen Fell,
bin ein Drache, bin ein Löwe,
und ich beiße und ich bell!
Ich zertrete zwanzig Schnecken
Und ich mache ganz viel Krach
Schneide Löcher in die Decken,
mache meine Schwester wach!

Heute bin ich wild und böse
Und ich gehe nicht ins Bett,
Knalle Türen mit Getöse
Bin ganz kratzig, bin nicht nett.
Ich geb heute keine Küsse
Und ich schmuse nicht herum.
Ich bin stark, ich knacke Nüsse
Und ich finde Schmusen dumm

Aber endlich kommt der Abend
Und das Bösesein ist schwer.
Und ich stehe in der Küche
Und ich bin kein Löwe mehr.
Nimm mich bitte in die Arme!
Gib mir einen lieben Kuss!
Ich bin froh, dass ich jetzt endlich
Keinen Wolf mehr spielen muss.


Aus: Jutta Richter/Am Himmel hängt ein Lachen/Boje Verlag

1 Kommentar:

  1. Es gibt zu diesem Gedicht auch eine zweite ironische Version

    Heute bin ich lieb und friedlich
    bin ein Lamm im wollnen Fell
    bin ein Rehkitz, fast schon niedlich,
    und gehorche dir ganz schnell
    Meine Katze ich liebkose
    und ich bin auch sonst ganz still,
    pups nur leise in die Hose
    weil meine Schwester schlafen will

    heute bin ich lieb und friedlich,
    und geh' gerne früh ins Bett,
    schließ die Türe ganz gemütlich,
    bin nicht kratzig, sondern nett.
    Heute geb ich gerne Küsse
    und ich schmus mit dir herum,
    ich bin sauber, wasch die Füße,
    Und nimm dir auch gar nichts krumm.

    Endlich geht der Tag zu Ende,
    Und das Liebsein fällt mir schwer.
    ich heb' zweifelnd meine Hände,
    Und ich bin kein Lämmchen mehr.
    Mag nicht deine Lobesrede,
    Gib ein Widerwort mir bloß,
    Ich bin froh und überlege,
    was war denn heute mit mir los?

    Wolfgang Duven

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